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Triumph Stag

Ferrari 308
 

 

Die Kurve genommen. In einem Triumph Stag.

 

Wegen der guten Aussicht. Eine immer mit einigem Erstaunen gehörte Antwort auf die Frage, warum man denn einen SUV fahren sollte. Gute Aussicht. Die hatten auch die Dinosaurier und haben sie sicher genossen, bevor sie die Klimaveränderungen ihrer Zeit nicht überlebten. Gute Aussicht hat man auch im Cabriolet namens Triumph Stag, eingeschränkt nur durch eine Art Gerüst. Nennen wir es bei einem Auto, das zu Deutsch Hirsch heisst, passender „Geweih“. Dieses Geweih ist speziell, es macht aus dem Stag ein Cabrio, das irgendwie doch keines ist. Aber ist es denn ein Targa? Nein, denn hinten ist er ganz offen. Er ist eine Art Zwitterhirsch.

 

Solche Gedanken gehen mir durch den Kopf, während ich in einer Dorfbeiz im Aargau zu einem Kaffee mit Teekonsistenz den Blick nicht lese und auf Markus warte. Er hat vor einer Stunde angerufen und mit gepresster Stimme vermeldet, der Sch…litten springe nicht an. Aha. Solches und Ähnliches hatte ich schon in meinen Recherchen im Web gelesen: Die Zuverlässigkeit des Triumph Stag veranlasst auch die eingefleischtesten Stagclubs zu beissender Selbstironie. Mein Vorsatz, keine Vorurteile aufzubauen, gerät arg ins Wanken.

 

Aber schliesslich taucht Markus dann doch auf. Und er ist gut gelaunt. Das sei, weil er ja jetzt schon wieder ein schönes Stück Hirschritt hinter sich habe. Und das mache einfach gute Laune. Na, mal schauen: Der zweitürige 2+2 ist delft-blau und aufgrund des unsicheren Wetters – und weil es ihm so gut gefalle – hat Markus das Hardtop montiert. Das lupfen wir mal weg, damit ich das Geweih inspizieren kann. Der T-förmige, mit dem Windschutzscheibenrahmen verbundene Targabügel ist gewöhnungsbedürftig, verhilft aber nicht nur dem Fahrer im Stag zu einer – Sie erraten’s – guten Aussicht, sondern dem Wagen auch zu einer erstklassigen Verwindungssteifigkeit und zu einem aussergewöhnlichen visuellen Auftritt, einem Zwölfender im Hirschkuhrudel gleich. Das Hardtop kommt wieder drauf, was aus dem Cabrio ein richtig gelungenes Coupé macht. Und aufgesessen.

 

Das Interieur ist komfortabel, die Ausstattung hochwertig. Feine Ledersitze nehmen mich auf, die Teppiche sind flauschig, die Holzeinlagen typisch britisch, die Fenster bewegen sich elektrisch und die Lenkung ist servounterstützt. Der Motor startet ohne Probleme und lässt ein sonores V8-Brummen hören (Röhren wäre trotz des fast zwingenden Zusammenhanges nicht die richtige Beschreibung). Das gefällt Markus, das gefällt mir. Der Motor leistet 146 PS, die für zügiges und dank der vielen Zylinder akustisch gepflegt untermaltes Fortkommen sorgen. Ein richtiger Sportler ist der Stag nicht, sein Revier ist die Landstrasse, über die sich mit ihm wunderbar entspannt, mit guter Aussicht und zügig cruisen lässt. Der Stag ist eindeutig der Anführer des ganzen Triumph Rudels, einst als Topmodell auf den Markt gebracht in der Absicht, gegen Konkurrenten wie den Mercedes SL der 107er Baureihe oder den Alfa Spider anzutreten.

 

Die Entstehungsgeschichte ist so speziell wie ihr Resultat: Giovanni Michelotti hatte 1964 eine Triumph Limousine 2000 Saloon als Studie in ein elegantes vierplätziges Cabriolet verwandelt. Die Führung von British Leyland war enthusiastisch und projektierte die Serienfertigung. Unter einer veränderten Konzernführung erfuhr dann auch das Konzept einige Änderungen: der verkürzte Radstand machte aus dem Vierplätzer einen 2+2, statt des geplanten Einsatzes des Sechszylinders entschloss man sich, den als Vierzylinder tadellosen Motor, der im Saab 96, im Triumph Dolomite und später im TR7 eingesetzt wurde, zu einem Achtzylinder zu verdoppeln. Warum man nicht auf den bewährten V8 von Rover aus dem gleichen Konzern zurückgriff, bleibt bis heute ein Rätsel. Und es hätte dem Stag zu mehr Erfolg verhelfen können. Er wurde nämlich von Fachpresse und Kundschaft wohlwollend aufgenommen und verkaufte sich zu Anfang bestens, bis die Mängel des Motors – undichte Kühler ab Werk, Überhitzungslust, empfindliche Steuerketten der Nockenwelle oder jämmerliche Zylinderkopfdichtungen – seinen Ruf ruinierten. Allerdings sollte man bei dem modernen Konzept nicht unbedingt von einer Fehlkonstruktion reden.

 

Vielmehr war die damalige Fertigungsqualität im Königreich schlicht not amusing. Heutige Stagisten vermelden darüber hinaus, oft habe es sich um Fehler der Besitzer in der Handhabung gehandelt, die zum rapiden Schwund der Hirschpopulation geführt habe. Da entgegne ich schnippisch, dass die Handhabung eines Serienwagens nicht fehlerhaft sein kann. Man wird doch verlangen dürfen, fahren zu können, ohne vorher eine Automechanikerlehre im Fernstudium absolvieren zu müssen.

 

Markus hängt trotz des ramponierten Rufes an seinem Stag. Kein Wunder, er gehörte seinem Vater und der hatte auf der Rücksitzbank speziell einen Sicherheitsgurt für Klein-Markus einbauen lassen. Auch ich finde das Auto eine extrem ausgewogene Mischung zwischen Fahrspass, Kraft, Komfort, Eleganz und Exklusivität und lade Markus spontan zur nächsten Ausfahrt der Freunde alter Fahrzeuge ein. Er sagt spontan zu. Cool. Da freue ich mich auf weitere Cruising-Kilometer im gepflegten Platzhirsch. Oder anders gesagt: Gute Aussichten!

 

Aus: SwissClassics - Das Oldtimermagazin der Schweiz, Heft 15-3/2007.
Autor: Christoph von Arb

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