Jaguar E-Type Roadster Series III
Guido ist nicht Zahnarzt. Aber schon ein Weilchen bei einer der zwei Schweizer Grösstbanken tätig. Und darum in der Lage, ein etwas fetteres Mobil als andere meiner Freunde zu bewegen. Das hat er sich aber auch sonst verdient: Schon als kleiner Bub träumte er von einem Jaguar E-Type, spielte mit Spielzeug-E-Types, las E-Type Bücher und trug eine grüne Jaguar Dächlikappe, bevor er sich 2000 mit knapp vierzig das Spielzeug in Originalgrösse leistete. Und selbst dem Kauf der Flunder ging eine intensive, um nicht zu sagen atemberaubend pingelige Evaluationsphase voraus: So manch oberflächlich besehen traumhafter Wagen, sogar in der Wunschfarbe British Racing Green, wurde mit dem für einen Bankmenschen halt relevanten Argument der fehlenden Preis-Leistungs-Relation abgehakt. Schindluder und Abzockerei würde da betrieben, liess sich der Kaufwillige vernehmen. Und erstand schliesslich ein rotes Modell in untadeligem Zustand. Sicherlich zu noch untadeligeren Konditionen, sonst wär’s kein roter geworden. Quasi am Tag der Übergabe rammte ihn aber ein Lieferwagen auf der Autobahn. Das war der Startschuss zu einer rund einjährigen Reparaturodyssee, nach der Guido praktisch einen neuen E-Type besass.
Ich finde den E-Type Klasse. Die Form, designt von Malcom Sayer in Anlehnung an den Le Mans Sieger D-Type, war schon immer und ist auch heute eigen und gleichzeitig zeitlos. Bei der Premiere 1961 auf dem Genfer Automobilsalon war sie eine Revolution. Und darüber, ob nun die Series I, II oder III die bessere oder schönere sei, ist alles schon gesagt und geschrieben, was es zu sagen und schreiben gibt. Alle Modelle haben was für sich. Die Form der Serie III finde ich persönlich die unexotischste. Und trotzdem faszinierend, denn sie schafft es immer wieder, mich positiv einzustellen, obwohl ich weiss, was beim Einsteigen auf mich zukommt: Meine Einmeterfünfundneunzig irgendwie durch die lächerliche Türöffnung zwängen und falls ich’s schaffe, auf gutes Wetter hoffen. Denn bleibt das Dach zu, bleibt mein Kopf in Schräglage.
Aber das Dach bleibt bei Guido eigentlich nie zu. Nebel, Nieselregen und winterliche Temperaturen schrecken ihn kaum. So schlimm ist’s heute aber nicht und ich stelle meinen Kopf erleichtert auf vertikal. Gute Sicht über die Windschutzscheibe hinweg. Und guter, sonorer Turbinensound, der da nach dem Anlassen von ganz weit vorne zu mir dringt. Zwölf Zylinder tummeln sich in 5,3 Liter Hubraum und leisten dabei stattliche 276 PS. Offiziell spurtet der E-Type damit in knapp 7 Sekunden von 0 auf 100 km/h. Ich geh’s gemütlicher an, wozu die Getriebautomatik durchaus einlädt. Die Strassenlage ist rüttlig, aber satt, und mit der servounterstützten Lenkung ist man richtig flink unterwegs. Und treibt man die Raubkatze an, geht tatsächlich was. Gut, in der heutigen PS-geschädigten Zeit sind solche Fahrleistungen schon fast beim Basismodell eines Mittelklasse-Daewoo die Norm. Trotzdem macht der E-Type richtig Spass – ich werde einigermassen übermütig. Bis sich eine Mücke nicht die Windschutzscheibe als finalen Paukenschlag ihres Lebens aussucht, sondern mir ins Auge sticht. Sozusagen. Das ist unangenehm. Gleich wie die Sitzposition, die an einen Kutschbock gemahnt, denke ich beim Augenreiben neben der Strasse.
Der E-Type war in seiner Zeit ein hochkarätiger Sportwagen, schon 1961 mit Leckerlis wie Scheibenbremsen und Einzelradaufhängung gespickt – und trotzdem war er damals sehr günstig. Er kostete die Hälfte eines Aston Martin DB 4 und ein Drittel weniger als eine Corvette. Das ist heute insofern ein Problem, als sich damals Leute einen E-Type leisteten, die danach das Kleingeld für den Unterhalt kaum aufbringen konnten. Solche Wagen haben gelitten und weil ein E-Type wegen seiner Monocoque-Bauweise mit Rohrrahmen für Motor und Vorderradaufhängung einigermassen schwierig und aufwändig zu restaurieren ist, sollte man vor einem Kauf immer einen Spezialisten beiziehen. Nur so kann man sicher sein, nach dem meist nicht billigen Kauf noch tiefer ins Portemonnaie greifen zu müssen.
Das Fahren im E-Type erregt Aufmerksamkeit: Von verstohlenem, aber intensivem Hinterhergucken bis zu erhobenen Daumen erlebt man alles. Solchermassen zur Schau gefahren zu werden ist nicht jedermanns Sache, klar. Allerdings ist man meist mit den Gedanken woanders und einfach am Geniessen und achtet sich gar nicht gross auf Leute am Strassenrand und in andern Autos. Und eigentlich ist es ja mehr als positiv, dass es heute noch Banker gibt, die nicht den Audi TT als das höchste der automobilen Gefühle betrachten. Gratuliere Dir, Guido.
Aus: SwissClassics - Das Oldtimermagazin der Schweiz, Heft 04-4/2004.
Autor: Christoph von Arb