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De Tomaso Pantera GTS

De Tomaso Vallelunga

De Tomaso Mangusta

 

Kürzlich habe ich die famose und sehr empfehlenswerte Ausstellung „Joe Colombo – Die Erfindung der Zukunft“ besucht. Umgeben von den umwerfenden Exponaten hatte ich das Gefühl, ein Protagonist eines James Bond-Streifens der Sechziger- oder Siebzigerjahre könnte jederzeit hervorhuschen und mir – bestenfalls – die Hand schütteln. Die fantastisch visionären, futuristischen Entwürfe des erfolgreichen Industriedesigners Joe Colombo kamen mir just wieder in den Sinn, als ich Chris zu unserer Verabredung mit seinem knallgelben De Tomaso Pantera traf und einen ersten verstohlenen Blick in das Cockpit geworfen hatte: Das in ausgreifenden Formen der Siebzigerjahre gestaltete Armaturenbrett und das sportliche Gestühl sind in mittelbraunem und weissem Leder gehalten. Und passen – wenn auch nicht gänzlich original – hammermässig zu diesem Auto. Ich war vom ersten Augenblick an hin und weg. Ob es Joe Colombo ähnlich ergangen war?

 

Der argentinische Rennfahrer Alejandro De Tomaso gründete in Modena – offenbar ein Ort mit eigenen Vibes – eine Firma und baute Rennwagen, vorzugsweise mit Mittelmotoren. 1969 lernte er Henry Ford II kennen, der – wegen seiner Frau Christina Vettore? – unbedingt einen italienischen Automobilhersteller kaufen wollte. Nachdem die hartnäckigen Annäherungsversuche an Ferrari und Lancia gescheitert waren, kam ihm De Tomaso mit seinen genialen Ideen und Konzepten gerade recht. Und weil Ford kein valables Pendant zur Corvette, aber eine Wumme von Motor, den Ford Cleveland V8 5,7 Liter, im Programm hatte, bestellte man in Modena ein Auto. Das wurde der Pantera, bei Ghia gezeichnet von Tom Tjaarda. Er schlug die Corvette um Längen, war in vielen Rennen und unter anderen auch mit Clay Regazzoni erfolgreich. Trotzdem ist der Pantera ein Exot geblieben. Chris jedenfalls wird an jeder Ecke gefragt, ob denn die Flunder ein Lamborghini oder ein Ferrari sei. Und darum passt das Auto auch zu ihm: Er hasst Prahlereien, schwimmt gerne etwas gegen den Strom, eckt hin und wieder an. Als er den Wagen vor vier Jahren im Internet entdeckte, wollte er ihn eigentlich nur mal anschauen gehen. Und er hätte ihn wohl nicht gekauft, wäre nicht der Sound des Motors gewesen: Als die 100 Dezibel V8-Gedröhn eine Dosis Nascar-Hormone in sein Gehirn ausschütteten, war’s um ihn geschehen. Der Pantera wurde seither vollständig restauriert und auf die GTS-Version, inbesondere eine spezielle Auspuffausführung, „aufgerüstet“. Unumwunden sagt Chris: Der amerikanische Motor benötigt hin und wieder Öl und neue Kerzen und das deutsche ZF 5-Gang-Getriebe ist superrobust. Der Rest ist Made in Italy, rostet und geht kaputt.

 

Mit diesen Informationen ausgerüstet zwänge ich mich in die deutlich unter einem Meter liegende schnittige Karosse mit ihren scharfen Kanten und klaren Linien. Willkommen in der braunweissen  Schaltzentrale. Wo ist der Raketenabschussknopf? Der Hebel für die ausfahrbaren Schutzschilder? Für den Schleudersitz? Ich erfreue mich an diesem Konzentrat von Seventies-Zeitgeist. Und auch an Details wie der offenen Schaltkulisse, dem riesigen Pantera-Schriftzug auf der Mittelkonsole oder dem verschwenderischen Einsatz von Chrom. Ob dieser Begeisterung vergesse ich fast, mich auf den Sound zu freuen. Als er einsetzt, erschrecke ich. Instinktiv ducke ich mich vor dem Motorflugzeug, das ich auf mir zu landen wähne. Das ist V8 in Reinkultur! Und nichts für Skoda Fabia Fahrerinnen mit ökologischem Gewissen und Baby-on-Board Klebern auf der Heckscheibe. Darum meiden wir auf unserem Fährtchen geflissentlich dichter besiedelte Gebiete. Er mache das eigentlich immer so, gesteht mir Chris: Er respektiere die Mitmenschen, die nicht bei jeder Gelegenheit Ohrenstöpsel mit sich führten und deren Begeisterung für sein Gefährt sich darum in Grenzen halten würde. Vielmehr bevorzuge er die deutsche Autobahn, auf der sich prächtig mit 150 bis 200 km/h cruisen lasse. Prima. Nix wie hin.

 

Einschub: Dürfen Zöllner eigentlich nie interessiert schauen? Ich bin sicher, die haben täglich neue Wetten laufen, wer am arrogantesten durchwinken oder noch besser, verächtlich nach den Papieren verlangen kann. Zurück ins Leben: Gibt man dann ennet der Grenze mit 150 km/h im dritten Gang richtig Schub, wähnt man sich in der ersten Reihe in Indianapolis. Das muss man gehört haben. Und für einen 1400 Kilogramm schweren Keil geht’s anständig zur Sache: Die 100er-Grenze durchwütet man nach gut fünfeinhalb Sekunden und auch sonst stehen mit 300 PS und einem bemerkenswerten Drehmoment immer mehr als genug Kräfte zur Verfügung, um nicht als lärmiger Shower zu gelten. Wo der Pantera kaum zu schlagen sein dürfte: Mit seinem Benzintänkchen von 60 Litern und einem Verbrauch zwischen 20 und 30 Litern auf 100 Kilometer zwingt er den Fahrer alle 200 bis 250 Kilometer an die Zapfsäule. Joe Colombo hätte trotzdem seine Freude daran gehabt, hätte er den Pantera erlebt. Er ist 1971 im Alter von 41 Jahren viel zu früh gestorben.

 

Aus: SwissClassics - Das Oldtimermagazin der Schweiz, Heft 10-2/2006.
Autor: Christoph von Arb

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