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Volvo 780 Bertone Coupé

 

Wer hat sich wohl zwischen 1985 und 1990 ein Coupé gekauft, das zwar schön, aber untermotorisiert war und – damals (!) – rund 90‘000 Schweizer Franken kostete? Eben. Wegen des hohen Einstandspreises war der Volvo 780 Bertone Coupé zum Beispiel in Deutschland, wo er auf rund 120‘000 DM zu stehen gekommen wäre, gar nie auf dem Markt. Dort verkauften sich zu jener Zeit gerade BMW 635 CSI für weniger Geld im Vergleich wie warme Semmeln. Doch dieser Preis hatte gute Gründe.

Volvo wollte nach dem 262er Bertone Coupé und einer Zweitürerpause Mitte der 1980er-Jahre wieder was abgefahren Nischiges auf die Beine stellen. Und so wandte man sich neuerlich an Nuccio Bertone, der die wohlbekannte Limousinenkarosse vom 760er frischfröhlich in allen – a-l-l-e-n – Teilen leicht veränderte und so den 780 Bertone Coupé entwarf. Fürderhin wurden die Karosserieteile in Schweden von Volvo gefertigt (warum wohl?) und dann nach Italien geliefert. Dort wurden sie bei Bertone zusammengebaut und ein Interieur mit Dutzenden von Quadratmetern feinstem Leder pro Fahrzeug montiert.

Solche Ideen und Produktionsmätzchen könnte man sich heute von einem seriösen Automobilhersteller nicht mehr vorstellen. Und genau das macht doch den Reiz aus: Das Coupé polarisierte – nicht nur wegen des hohen Preises – und fand entsprechend wenige Käufer. In Europa wurde es ausser in der Schweiz noch in Schweden, Italien und Spanien angeboten, wo ungefähr 3‘000 Wagen über die Theke gingen. Die restlichen rund 5‘500 Wagen wurden in den USA abgesetzt. Entsprechend wenige gut erhaltene 780er lassen sich heute aufspüren.

Als Michael, der Porschefahrer, zum ersten Mal erwartungsfreudig im Sozius Platz nahm und ausrief: „Olé, jetzt gib ihm die Sporen, Alter!“ und postwendend gewahrte, dass das Sporengeben schon seit geraumer Zeit im Gange war, meinte er nur lapidar: „Ah, soo langsam hast Du gemeint, ist die Mühle.“  Christophs Bertone ist mit dem brummigen PRV-Sechszylinder ausgestattet, der dem Anderthalbtönner verwegene 148 PS angedeihen lässt. Damit lässt es sich wohl gemütlich cruisen und im Verkehr mitschwimmen, mehr sollte man vom knurrigen Gesellen unter der langen Motorhaube aber nicht verlangen – er dankt es immerhin mit einem Verbrauch von rund 13 Litern im Mix. Das Cruisen wird aber nicht nur vom Motor quasi erzwungen: Eine Rundum-Vollausstattung, die es für damalige Verhältnisse an nichts mangeln lässt, versöhnt den ob der nicht vorhandenen Leistung verdutzten Fahrer schnell wieder. Klimaautomatik, elektrische und beheizbare Sitze, elektrische Fenster und Rückspiegel – letztere beheizbar, ein elektrisches Schiebedach, Tempomat (cruisen, cruisen, cruisen!), eine Audioanlage, die damals als beste serienmässig verbaute galt, Viergangautomatik und weiterer Firlefanz war in der Grund- bzw. einzigen Ausstattungsvariante inklusive und betörte den Gentleman am Steuer gleichermassen wie die elegante Lady und ihren erwärmten Hintern auf dem Beifahrersitz. So viel zur Geschichte und den inneren Werten.

Das Wichtigste ist aber das Äussere: Für Christoph ist der 780 Bertone der schönste Volvo überhaupt – er als früherer P1800-Besitzer darf das auch ungescholten sagen! Die mit viel Gespür im damaligen Zeitgeist von Bertone gezeichnete Silhouette sei einmalig wohlproportioniert – und zeige dennoch die eindeutigen, kantigen Linien eines Volvos aus jener Zeit. Dass Karosserieteile im Falle eines Falles nicht einfach zu finden sind und nur Kenner der Volvo-Materie auf den Wagen reagieren, kratzt ihn dabei nicht. Still geniessen – und weitercruisen!

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